Ich schmeeeeelze!
Das würde meinen Tag in der Grundschule Vierrutenberg in Lübars sehr präzise zusammenfassen. Am bisher heißesten Tag des Jahres 2011 war ich jedoch in einer sechsten Klasse eingeladen und es gibt deutlich mehr zu berichten als nur die Hitze. Zunächst einmal liegt Lübars keine fünfzehn Minuten von meinem Zuhause entfernt und ist soooo grün! Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell man in Richtung Norden die Stadt hinter sich lässt und es … naja … fast ländlich wirkt. Baumalleen, Einfamilienhäuser mit Gärten und Felder voller Roggen. Dann dreht man sich um und die Hochhäuser des Märkischen Viertels ragen in den Himmel auf. Fast wie Mahnmale, die einem nicht vergessen lassen, wie nah die Stadt noch ist.

Die Grundschule Vierrutenberg liegt an einem der genannten Felder und wirkt auf den ersten Blick riesig. Der Abenteuerspielplatz mit seinen Klettergerüsten und Fußballfeldern bietet so viel Platz, ich bin gar nicht davon ausgegangen, dass es ein Schulhof sein sollte. Da die Lehrerin, die die Lesung organisierte, erkrankt war, trieb ich zu Beginn meines Besuches zwar in organisatorischer Ungewissheit, aber das legte sich bald wieder. Leider ging auch in dieser Schule der Elternbrief verloren, sodass ich ernsthaft überlege, wie ich dieses Problem im nächsten Schuljahr behebe.

Die Sechstklässler waren ziemlich überrascht, dass ich sie nach der Pause in ihrem Klassenraum in Empfang nahm; vielleicht haben sie mit einer älteren Autorin gerechnet. Mich hat es auf jeden Fall erheitert, dass ein Junge vor Schreck seinen Handball fallen ließ und bei meinem Anblick wie erstarrt auf der Türschwelle verharrte. Dafür gehörte die Klasse wieder zu den selbstregulierenden. Sie setzten sich pünktlich zum Klingeln, wurden still und forderten mich auf, mit der Lesung zu beginnen. Obwohl ihre Lehrerin sich verspätete! Da sagt man nicht ‚nein‘, oder?

Die Sechstklässler benahmen sich erst verhalten, aber mit der Zeit stachelten sie sich gegenseitig an. Sie wurden offener mir gegenüber und ich konnte sie irgendwann nicht mehr stoppen. Besonders bei den Berufsvorschlägen fiel ihnen mehr und mehr ein. Leider sind mir ein paar Berufe entfallen, aber hier diejenigen, die hängen geblieben sind.

  1. Fußballstar, und wenn das nicht funktioniert: Polizist
  2. Bodybuilder, aber realistischer war für den Jungen, einmal ein Sportzentrum zu besitzen.
  3. Hunde- und Reptilienzüchter
  4. Abschmeckerin, die sich meiner Meinung nach mit den Köchen zusammenschließen sollte
  5. Deckelaufschrauber und Flaschenöffner
  6. Ein Mädchen möchte eine Schauspielerin und Drehbuchautorin werden, die in ihrem Erfolg an Till Schweiger herankommt. Zu ihr gesellten sich auch gleich Regisseure und ein Stuntman.
  7. Ein anderes Mädchen wäre in Onnipolis ein lebender Anrufbeantworter.
  8. Und natürlich der Junge, der Frauentester werden möchte. Was genau diesen Beruf ausmacht, konnte er mir noch nicht sagen. Das möchte er herausfinden, wenn er älter sei.

Die Lesung zog sich über zwei Schulstunden. Ich hatte in bisschen Panik nicht genug Textteile vorbereitet zu haben, aber dank der vielen Fragen haben wir sogar überzogen. Dadurch, dass eine Lehrerin selbst Jugendbücher schreibt, hatten die Sechstklässler eher weniger Fragen zur Entstehung eines Buches, dafür umso mehr zu Timmy und meiner Person. Und nein, ich kann auch weiterhin nicht verraten, wer die Allergomörder sind und warum Timmy nicht mehr bei seinen Eltern lebt. Aber es freut mich, wenn diese Fragen aufkommen. Dann merke ich, dass ich meine Zuhörer an den richtigen Stellen begeistern konnte.

Aufgrund einer Verschiebung im Vertretungsplan und Hitzefrei hatte man mich gebeten, ob eine weitere Stunde bei der sechsten Klasse zu bleiben. Spontan habe ich mich für eine Improvisation meines Schreibworkshops entschieden. Improvisiert in dem Falle, dass ich nur die Hälfte der Zeit zur Verfügung hatte. Doch obwohl es die letzte Stunde war und wir gegen die Hitze in einem kleinen Klassenraum ankämpften, machten die Schüler erstaunlich gut mit. Bei den verschiedenen Orten, an denen eine Geschichte spielen kann, hatten sie so viele Einfälle, ein Junge sagte irgendwann: „Hört auf, wie wollt ihr eine Geschichte an so vielen Orten schreiben?“

Zwar stöhnten die Schüler, als ich ihnen erklärte, dass sie die Texte für ihre kranke Lehrerin zu Ende schreiben sollten, was sie jedoch nicht an ihrem Eifer hinderte. Von Forschern, die eine Expedition in ein Knochenschloss starteten, Bruderzwist oder eine Romeo & Julia – Geschichte auf einem Piratenschiff.  Ich wiederum hatte meine Freude an der elektronischen Tafel, die ich benutzen durfte. Meine Handschrift sah zwar noch schlimmer und schräger aus als normalerweise, aber diese Tafeln sind ein einziges Spielzeug. Mit einem Tippen wechselt man die Schriftfarbe und ein Klick mit der Maus und schon konnte ich den Schülern den Blog hier zeigen.

Dennoch frage ich mich weiterhin, warum Lehrer mir ständig eine Karriere als Grundschullehrerin vorschlagen. Klar, es macht unglaublich Spaß mit Kindern zu arbeiten, weil ihre Fantasie grenzenlos ist, aber ich habe mich nie in der Rolle des Pädagogen gesehen. Andererseits bezweifle ich, dass ich viele Autoren gibt, die sich in der Großen Pause von ihren Zuhörern zum Schaukeln überreden lassen! 😀

 

Kurz vorm Schmelzen: Berlin – Lübars

Ein Kommentar zu „Kurz vorm Schmelzen: Berlin – Lübars

  • 7. Juli 2011 um 13:51 Uhr
    Permalink

    Du hättest zumindest einen alternativen Karrierepfad. Kannst ja fleißig Referenzen von Grundschullehrern sammeln. ^^

    Mir hat man das auch gelegentlich gesagt, ich denke, es liegt einfach daran, dass Autoren erzählen können. Und wir können gut genug erzählen, um über einige unserer Wissensschwächen hinwegzutäuschen.

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