Praktischerweise habe ich eben das Einkaufen mit einem nachmittäglichen Spaziergang verbunden. Es sind die letzten warmen Tage im Herbst und schließlich kann man ja nicht nur lernen. Ich zumindest nicht.

Eigentlich bin ich eher der Frühlingstyp, wenn alles grünt und sprießt und wieder zum Leben erwacht. Aber dieser Herbst hat es mir angetan. Die Blätter erstrahlen in Farben, die kein Künstler wiedergeben kann. Auch ich suche nach den richtigen Ausdrücken, die Gelb, Braun und Rottöne zu erfassen, die ich erblicke. Aber es gelingt mir nicht, diese Fülle in Worte zu kleiden. Es sind ja nicht nur die Farben. Die Struktur der Blätter ändert sich, sie wirbeln und rauschen im Wind und plötzlich flimmert ein ganzes Farbenmeer vor deinen Augen. Wie ein lebendiges Farbenmonster. 😉

Ich weiß nicht, … ich sehe die kahler werden Äste, höre den Wind pfeifen und sehe ihn dabei zu, wie er mit den heruntergefallenen Blättern spielt. Während er mich ins Gesicht weht und meine Ohren erfrieren. Der Rest ist warm eingepackt in Wintermantel und Schal. Ich rieche die nasse Erde und den beeindruckenden Geruch von … Wald? Das klingt jetzt verrückt, weil ich durch einen Park gelaufen bin, aber es hat so gerochen.

Vielleicht nehme ich es auch nur stärker war, weil ich jetzt in einer Großstadt lebe. Früher, in meinem Dorf, ist mir so etwas nie aufgefallen. Aber die Natur sticht hier stärker heraus. Wahrscheinlich, weil sie den Straßen, Autos und Hochhäusern so hoffnungslos unterlegen ist. Aber wenn ich spazieren gehe, sehe ich nicht die Betonbauten, den Asphalt und die qualmenden Abgase. Wie bei einem Autofokus richten sich meine Augen auf die tanzenden Blätter, die sich wiegenden Bäume und das Eichhörnchen, das mit einer Haselnuss zwischen den Zähnen durchs Gebüsch sprintet.

Doch ganz gleich welche Jahreszeit, die Natur beruhigt mich. Ob nun im Schneetreiben, das deine Spuren sofort verwischt, im Frühjahr unter einen blühenden Kirschbaum, in der sengenden Sommersonne am See oder jetzt im Herbst, wenn ich durch Laubhaufen wandere (diejenigen, die sie zusammenfegen, mögen mir vergeben!) … Mein Gang wird leichter, ein Lächeln zeigt sich im Gesicht und ich fange an zu summen. Reine Entspannungskur – ein besseres Mittel kenne ich wirklich nicht! Vielleicht war ich ja in meinem früheren Leben Hobbywanderer und Naturforscher oder habe Stunden damit verbracht, Naturszenerien zu malen. Denn diese Bindung zur Natur fühlt so viel älter an als ich … Okay, das klingt … leicht wahnsinnig … Doch solange ich zurückdenken kann, war dieses Gefühl schon da und hat mich begleitet. Es hat sich nicht entwickelt. Es war schon immer in der gleichen Intensität vorhanden und verlangt von mir, rauszugehen. Verlangt, die gefestigten Wege zu verlassen, um querfeldein zwischen den Bäumen zu gehen, und dass ich mich nicht sattsehen kann an den vielen Details um mich herum. Letzteres führte auch zu meinem Hobby der Fotografie und damit zu einem niemals endenden Archiv voller Blätter, Regentropfen, Sonnenauf- und untergänge auf meinem Laptop.

 Ich muss dies aber allein tun. Mit Dominic oder jemand anderen an der Seite funktioniert der Zauber nicht. Die Natur kann mich nicht gefangen nehmen in ihrer Schönheit,  wie wenn ich noch einen Anker bei mir hätte, der mich an die Welt der Lernziele, Abgabetermine, Einkaufslisten und Tagespläne kettet. Als ob ich nur in mich selbst gekehrt, ich das erkennen kann, was die Zivilisation vor uns zu verbergen sucht.

So und nun die Analyseaufgabe zum Schluss – nach zwei Wochen Goethe und Sturm und Drang – welche Aspekte haben wohl am Stärksten auf mich gewirkt! Wehe einer kommentiert, ich leide wie Werther! 😉.

Die Natur bleibt der schönste Künstler

Ein Kommentar zu „Die Natur bleibt der schönste Künstler

  • 2. November 2010 um 19:16 Uhr
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    Sehr schön ge- und beschrieben- und das sagt ein „Herbst-Mensch“.

    LG Karen

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