Irgendwie bin ich eine halbe Amerikanerin.

Erschreckend. Dabei war ich noch nie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Mein Traum ist es, ausgiebig durch Amerika zu reisen. Aber Land und Leute kenne ich nur aus Filmen und Büchern. Dabei verbinde ich mit dem amerikanischen Lebensstil unheimlich viel; wahrscheinlich trifft nur die Hälfte zu. Wenn ich an Amerika denke, fällt mir spontan ein: Lucky Charms. Oreo. Hersheys. Hagen Dasz. (Man bin ich verfressen) Englische Literatur von Paolini, Ursula K. LeGuin und  Filme im Original schauen wie Singing in The Rain oder Star Wars. Ich liebe Jamie Oliver‘s Amerika Kochbuch (auch wenn er ein Brite ist!). New York. Maine und Illinois. Windy City – Chicago, go Bears, die Cheeseheads, Miami, den Superbowl, LA. Die Simpsons (für uns Europäer die amerikanische Familie). Die Tatsache, dass im Umkreis von 100 Meilen nur Straße und Wüstenläufer sind. Prom Night. Dass es gefühlt 5000 Fernsehsender in jedem Bundesstaat gibt, aber auch kein vernünftiges Programm. Speed Limits für Interstates. Siedlungen, die eine Mainstreet besitzen und sonst nur noch fünf Häuser.  Das niemand seine Haustür abschließt, insofern er nicht in der Stadt lebt. Das Motto schneller, weiter, höher, und es nie ein Ende gibt. Die Juillard. Saturday Night Life und so gut wie alle Komiker, die dort ihre Karriereanfänge bestritten. Und nicht zu vergessen, das absolut unverständliche, aber wunderbare Genuschel von manchen Amerikaner, dass sie selbst als Englisch bezeichnen. 🙂

Schwupps, da habe ich schnell 170 Wörter getippt.

Aber was ist typisch deutsch? Ich frage mich das, weil ich endlich deutsche Figuren in meinen Büchern brauche. Ich kann superamerikanische Eigenschaften einfließen lassen – was nicht praktisch ist, wenn die Figur z. B. in Berlin lebt. Oder neben ausländischen Nebencharakteren herausstechen sollte. Ständig reden meine Figuren auch noch amerikanisch, was natürlich an der Fülle von Übersetzungen liegt, die ich lese.

Wie benimmt sich ein typischer deutscher Jugendlicher? Jungs? Mädchen? Was machen die nachmittags? Wo gehen sie hin? Wie verläuft deren Schule? Was sind ihre Ansichten? Ich könnte einfach eine Studie lesen, doch so etwas hat noch nie geholfen. Ich könnte auch rausgehen und eine Live-Recherche starten, aber hier leben Großstadtkinder und die sind sowieso anders. 😉

Macht es die Religion aus? Oder das Umfeld der Familie? Einer kleinbürgerlichen Familie mit Jobs im Mittelstand und 1,7 Kindern im Durschnitt? Die Jugendsprache? Letzteres gefällt mir gar nicht. Ein Leben lang habe ich mich gegen ‚boah ey‘, ‚hamma‘ und dergleichen gewehrt. Okay, das Berlinern schleicht sich langsam ein, aber das ist auch kein nützliches Merkmal!

Ich glaube mein Gehirn verknotet sich gleich … Selbstreflexion hilft auch nicht weiter. Von Zuhause aus wirken die halbdeutschen-halbpolnischen Wurzeln, die mein Großvater in mir gehegt und gepflegt hat. Auf dass sie sprießen und blühen und ich mich jetzt frage, wie mein Umfeld seine Kindheit erlebte. Im Übrigen kann ich auch nur drei polnische Worte aussprechen, ich kenne ein paar Gerichte und ein bisschen den Aufbau des Landes. Besucht habe ich es noch nie, aber die Wertevermittlung von Großeltern geht tiefer und nistet sich im Unterbewusstsein ein.
Den Rest ‚Ich‘ fülle ich mit Japanischen und ein bisschen Französischen auf, da ich diese Kulturen liebe. Watashi wa doki doki nippon. Oder so. Heißt so viel wie mein Herz schlägt für Japan und natürlich für Jean Reno ! Dazu gelingt kein gutes Essen ohne Butter! 😉 (Zitat, Julie & Julia)

Okay. Es gibt ja immer noch Freunde und Bekannte, auf die man zurückgreifen kann. Hm. Halb-Polin-Halb-Vietnamesin. Zum Islam konvertiert und überzeugt. Überzeugte Hinduistin, die auch schon in Indien lebte. In Ost-Deutschland groß geworden, was nicht zum Hintergrund meiner Figuren passt. Im Wedding aufgewachsen und von so gut wie jeden Dönerladen adoptiert … Jetzt wird es langsam kompliziert …

Wo bist du deutscher 0815 – Bürger? Wenn du da draußen bist, melde dich! Ansonsten suche ich dich über Aktenzeichen XY!

Oder ich muss eine Umfrage bei „Autorin sucht Verlag“ auf Facebook starten … Verdammt, das kann doch nicht so schwer sein! Und nein, ich meine nicht – dank des passenden Anlasses – den deutschen Karneval! 🙂.

Was ist denn typisch deutsch?

Ein Kommentar zu „Was ist denn typisch deutsch?

  • 11. November 2010 um 17:54 Uhr
    Permalink

    Ich glaube, man empfindet das „typisch Deutsche“ erst, wenn man längere Zeit im Ausland war. Das Typische besteht, denke ich, aus den Eigenschaften, die einem dann negativ oder stärker auffallen. Nach dreiwöchigem Kalifornienaufenthalt empfand ich uns Deutsche plötzlich als unfreundlich und unhöflich. Zum Beispiel wird man in Amerika im Supermarkt aus fünf Metern Entfernung mit einem „Excuse me“ gewarnt, dass ein anderer Einkaufswagen im Anmarsch ist, während einem hier schonungslos in die Hacken gefahren wird, ohne dass man hinterher noch eine Entschuldigung hört. Seither fällt mir hier eine schon fast generelle Gereiztheit auf. Nichts kann schnell genug gehen. Ältere neigen dazu, sich lautstark in aller Öffentlichkeit über völlig fremde Kinder aufzuregen, während die Jugend die Zähne nicht auseinanderbekommt, um einfach mal um Durchlass zu bitten, sondern einen einfach umrennt. Nach meinen Auslandsstudienaufenthalten vermisste ich unheimlich Gelassenheit. Mit einem Mal wird hier über alles gemeckert, und sei es nur über das Brot des neuen Bäckers um die Ecke. Andererseits bekomme ich aber von meinen Freunden im Ausland immer vorgeworfen, dass ich viel zu pünktlich und akribisch bin. Dann heißt es, das sei eben typisch deutsch. Aber da kommt natürlich auch das Klischee zum Tragen, wobei typisch nun nicht zwangsläufig dem Klischee entsprechen muss, das andere von einem haben.
    Irgendwie komme ich gerade total negativ daher, kann das sein? Sauerkraut und Klöße sind wir jedenfalls nicht … glaube ich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert